Gotai -
statisches Training

Yasuo Kobayashi. Foto: Magnus Hartman.
Es gibt im Großen und Ganzen drei Arten, Aikido zu 
trainieren: gotai, jutai und ki nagare — statisch, weich und fließend. 
Auch wenn diese drei als verschiedene Stadien in der Entwicklung 
des Aikidotrainierenden beschrieben werden können, sind sie als 
Trainingsform ständig wiederkehrend und gemischt. Sie 
komplettieren einander.
      
	Gotai, das statische Training, geht von unbeweglichen 
Positionen aus. Der Partner darf greifen, bevor man beginnt, 
seine Technik auszuführen. Das ist natürlich nicht die beste 
Selbstverteidigung, aber es ist äußerst wichtig, dass man lernt, 
damit zurechtzukommen. Für den Anfänger ist gotai auch die 
einzig einleuchtende Möglichkeit, die komplizierten Aikidotechniken 
zu lernen und damit vertraut zu werden, wie man sie ausführt.
      
	Die Japaner haben lange mit großem Interesse trainiert, 
sich aus Griffen und allen möglichen Umklammerungen zu 
befreien. Sie betrachten besonders das Vermögen im Aikido, sich 
sichtlich leichthändig aus dem stärksten Griff zu winden, immer 
mit großem Respekt. Für die Samurais war es besonders 
angebracht, sich von Festhaltegriffen befreien zu können, die sie daran 
hinderten, das Schwert zu ziehen. Ebenso war es für die Gegner 
äußerst wünschenswert, die Hände der Samurais blockieren zu 
können. Aikido, das aus der alten Verteidigungskunst der Samurais 
hervorgewachsen ist, beinhaltet deshalb eine Menge Techniken für 
den Griff ums Handgelenk. Das Training mit diesen 
Angriffsformen ist auch eine hervorragende Möglichkeit, die Prinzipien 
und Methoden des Aikido auszuprobieren.
      
	Wenn man nicht weiß wie, kann es sehr schwierig sein, 
sich aus einem starken Griff um die Handgelenke zu befreien — und 
in gotai soll der Partner wirklich ordentlich festhalten. Auf 
dasselbe Problem stößt man natürlich in allen Formen von 
Umklammerungen — Leibgriff, Würgegriff usw. Der Größste und Stärkste 
hat nach allgemeiner Auffassung alle Trümpfe in der Hand. In go 
tae trainiert man vor allem zwei der Prinzipien des Aikido, die 
eine Lösung für eine solche Klemme anbieten. Das erste ist, 
immer zuzusehen, dass man sein Körperzentrum hinter dem hat, 
was man ausführt, das andere, die verborgene Beweglichkeit in 
dem unbeweglichsten Zustand zu entdecken.
      
	Das Wissen, dass man den Bauch auf das Ziel richten soll, 
so dass er Stütze und Abschussrampe für jede Bewegung ist, ist 
eine ebenso souveräne Hilfe, wie wenn man lernt, dass man 
schwere Sachen mit den Beinen und nicht mit dem Rücken heben 
soll. Alle Bewegungen im Aikido sollen von tanden kommen. Um 
das zu lernen, achtet man darauf, dass man seinen Bauch immer 
in die Richtung wendet, in die man gehen will. Das wird mit 
Körperdrehungen gemacht, besonders mit der Flexibilität der 
Hüftpartie. Es ist nicht allzu schwer, die Arme oder Beine oder 
den Kopf eines Menschen festzuhalten — aber es ist völlig 
unmöglich ihn daran zu hindern, die Hüften zu bewegen und damit 
die Flexibilität zu haben, die man braucht, um sich aus jedem 
Griff zu befreien. Durch Hüftdrehungen findet man einen Weg 
hinaus, und dadurch, dass man den Bauch in diese Richtung zeigen 
lässt, hat man Kraft und Festigkeit genug, um sich auf dem Weg 
nach vorne zu bewegen.

Christian Tissier. Foto: Magnus Hartman.
      
	Obwohl es so aussieht, als würden die Hüften die 
ganze Arbeit machen, so ist es wichtig, sich auf den Bauch zu 
konzentrieren — teils um sein Zentrum zu finden und teils weil man 
sonst leicht Balance und Festigkeit verliert. Ohne gute Balance 
kann man sich kaum aus einem Griff befreien. Faktisch wird es 
sich immer zeigen, dass von zwei Kontrahenten immer der 
Stärkere ist, welcher die beste Balance hat — ungeachtet des Formats 
von Bizeps und Trizeps. So wie die Boa Halt für ihren 
Schwanz braucht, um die Beute zu Tode zu drücken zu können, muss 
der Mensch Balance haben, um seine Stärke anwenden zu 
können. Und das Gleichgewicht sitzt immer im Schwerpunkt des 
Körpers — in tanden.
      
	Deshalb kommt man ausschließlich auf dem Weg über 
das Zentrum des Partners an dessen Gleichgewicht, und das ist 
nötig, um ihn in die Bahnen der Aikidotechniken zu leiten und 
sich damit zu befreien. Im Innern des Bauchs des Partners gibt es 
immer Beweglichkeit, in jede denkbare Richtung, wie ein 
Potential. Diese kann man wecken und leiten, ungeachtet dessen, wie 
fest der Partner zu stehen scheint und wie schraubstockfest sein 
Griff ist.
      
	Die Beweglichkeit wird dadurch geweckt, dass man sich 
entspannt. Komischerweise ist es genau das Gegenteil von dem, 
was Menschen zu tun pflegen, wenn jemand sie festhält. Sie 
spannen ihre Muskeln, reißen und drücken um freizukommen. So 
etwas macht den Partner nur stärker, und der Schraubstock wird 
fester gezogen. Aber wenn man sich entspannt und weich wird, da 
verliert der Griff des Partners seine Festigkeit und die 
vielen Richtungen in die man ihn leiten kann, werden erkennbar. 
Man braucht nur zu wählen.
      
	Dieses lustige Naturgesetz ist leicht auszuprobieren. 
Lässt man einen Partner richtig hart am Handgelenk zugreifen 
und ballt selbst seine Hand, spannt die Armmuskeln — so fühlen 
beide, wie stark der Griff des Partners ist. Aber wenn man plötzlich 
die Hand öffnet und sich in den Muskeln entspannt, da merkt 
man deutlich, wie der Griff des Partners sozusagen abgleitet, seine 
Stärke verliert. Er muss einen neuen Griff machen, erneut 
zupacken, um die Kraft und die Kontrolle zurück zu gewinnen. Bevor er 
das tut, ist es leicht, eine Aikidotechnik auszuführen. Es ist ja 
üblich, die Worte Weicheit und Beweglichkeit als Synonyme 
anzuwenden. Wenn man weich wird, kann man sich immer 
bewegen, so sehr man auch festsitzt. In der Weichheit liegt wirkliche Stärke.

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Stefan Stenudd
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I'm a Swedish author of fiction and non-fiction books in both English and Swedish. I'm also an artist, a historian of ideas, and a 7 dan Aikikai Shihan aikido instructor. Click the header to read my full bio.